Das bestellte Rindfleischpaket ist abholbereit

Gestern haben wir einen Erinnerungsanruf von Gerhard bekommen. Das bestellte Rindfleischpaket wäre morgen um 17.00 Uhr abholbereit. Und nach 5 Minuten Fahrt kommen wir zum ersten Mal auf das Polzgut in Koppl.

 

Aber halt, das ging jetzt viel zu schnell, wir springen einige Jahre zurück, in meine Kindheit, nach Oberösterreich. Wann haben Sie das letzte Mal Rindfleisch ab Hof gekauft? War das mit der Oma oder Mama als Kind? Oder haben Sie schon lange ihren Lieblingsbauern als Fleischlieferanten?

So war das damals auf dem Land

Ich bin am Land aufgewachsen. Ein Ort mit an die 2.000 Einwohnern, wo man sich kennt. Und wo man auch die Bauern aus der Nachbarschaft kennt. Damals gab es noch kein Handy. Und wenn das grüne Post-Festnetz-Telefon geläutet hat, dann war das meistens die Verwandtschaft oder jemand aus der Umgebung.

Wie etwa die Bäuerin, die meiner Mutter mitgeteilt hat, dass es wieder Fleisch gibt. Auch damals gab es schon Fleischpakete, die nach dem Abholen von der Oma mit der Mama gefrierfertig portioniert, beschriftet und in der großen Gefriertruhe im Keller eingelagert wurden.

Damals haben das fast alle so gemacht. Jeder hatte seinen Bauern, und mehrere Generationen in einem Haus sparten durch den „Großeinkauf“ von Fleisch und durch die Verwertung von verschiedenen Fleisch-Teilen, wie Gulasch, Rostbraten, Lungenbraten, Faschiertem, Rindsschnitzerl, usw. Filets oder Steaks waren zumindest in meiner Jugend ein Fremdwort auf Omas und Mamas Menüplan.

Fleisch ab Hof war nicht mehr gefragt

In der ersten eigenen Wohnung hatten meine Frau und ich erst mal keine Gefriertruhe. Faschiertes für die Burger holten wir uns vom Supermarkt oder Diskonter. Sonst war mediterranes Essen oder eine Fast-Food-Kette „in“ und Österreichisch, also Fleisch in fester Form eher „out“ zu dieser Zeit. Und der Ab-Hof-Verkauf anscheinend auch. Denn vor und nach dem EU-Beitritt hörten viele Landwirte auf mit der „Hausschlachtung“.

Die Anrufe bei meiner Mama, dass es wieder Fleischpakete gäbe, wurden rar. Jetzt bekamen nur die „eingefleischten“ Fans noch Fleisch ab Hof. Die ersten Handynummern unserer Generation hatten die Bauern nicht mehr bekommen.

 

Für (fast) alle gab es jetzt den Supermarkt, für die Omas und „Stadtinger“ den Wochenmarkt oder Traditionsmetzger ihres Vertrauens. Die Leute vom Land fuhren jetzt auch scharenweise zu den Großmärkten und Diskontern, und selbstverständlich traf dort meine Mama auch die Bäuerinnen unseres kleinen Ortes. Nur das, was man dort nicht bekam, oder von dort doch nicht so gut schmeckte, kaufte man beim Krämer im Ort, damals mehr Supermarkt als Feinkostladen.

 

Bauernhof-Qualität

Es waren die Leute aus der Stadt, die auf einmal wieder auf dem Land auftauchten. Sie hatten die größte Sehnsucht nach echter „Bauernhof-Qualität“. Sie machten auch die Fleischtheke am „Bauernmarkt“ zum Erfolg und wollten ihre Lieferanten wieder kennen.

Und es war wahrscheinlich die Not, die bekanntlich erfinderisch macht, oder einfach der Geschäftssinn der Kaufleute und Landwirte. Denn der Nahversorger wurde zum Feinkostladen, der Wochenmarkt zum „Bio-Bauern-Markt“ und der Fleischverkauf ab Hof?

 

Der musste ebenfalls wiederentdeckt werden. Denn auch die Leute am Land hatten verlernt, Fleisch und sonstige landwirtschaftliche Lebensmittel ab Hof zu kaufen. Man wusste nicht mehr, was es bei welchem Bauern im eigenen Ort gibt.

 

Wenn der Bauer wieder Bauer sein will

Und irgendwann schwappte diese Sehnsucht nach dem Bauern, den man wieder kennt, auch auf die „Jungen“ über. Auch auf die Jungbauern, die merkten, dass etwas fehlte.

 

Und jetzt sind wir wieder bei Familie Hofer vom Polzgut in der Ladau in der Gemeinde Koppl, vor deren halboffenen Garagentor ich jetzt mit meiner fünfjährige Tochter stehe, um unser Fleischpaket abzuholen. Und da stehen sie auch schon, die roten Fleischerkisten mit den vorbestellten Fleischpaketen. Auf einem Biertisch steht die Handkassa und liegt Christines Heft mit den Vorbestellungen, Namen und Mengen.

 

Wir kennen uns ja noch nicht persönlich. Darum wird erst mal nachgefragt, wer denn die kleine Dame ist mit ihrem Papa. Und dann finden wir auch schon unseren Namen im Heft und Christine zeigt uns „unser Paket“. Wir zahlen EUR 44,- für 5 Kilo inkl. Knochen.

Wir machen uns natürlich nicht gleich wieder auf den Rückweg. Nein, zuvor zeigt uns Tochter Sophie noch den neuen Laufstall und ganz stolz ihr eigenes Pferd Miri, sowie Eselin Resy.

Anders wie früher

Während meine Tochter gerade das Pferd streichelt, kommt auch Bauer Gerhard in den Stall. Er gibt den Ochsen frisches Heu und erzählt uns, dass die Hofers eigentlich schon aufgehört haben mit der Landwirtschaft. Dass ihnen, den Kindern, aber auch den Altbauern, die Tiere gefehlt haben. Und dass sie es nochmal wissen wollten als Bauern.

Aber anders als früher, mit Weidevieh mit viel Auslauf, als Bio-Landwirtschaft und durch den intelligenten Stallbau mit weniger Arbeit für seine Frau und ihn.

 

Hier wird nicht Fleisch „produziert“. Hier leben Menschen mit ihren Tieren, hier wird ein Bauernhof bewirtschaftet. Geschlachtet wird mehrere Male im Jahr, ungefähr zehn Minuten vom Hof entfernt.

Mehr als Fleisch

Man spürt die Freude der ganzen Familie an der Landwirtschaft. Und man spürt die Freude, wenn Kunden und Nachbarn kommen, um die Bestellungen abzuholen. Wenn uns die Tochter stolz den Stall und die Ochsen zeigt.

Und das spüren auch meine Tochter und ich. Sie weiss jetzt, wo das Fleisch herkommt, dass es den Tieren auf dem Polzgut gut geht. Das „Fleisch“ nicht nur für die Hofers einen Wert hat. Oder vielleicht gefällt ihr einfach nur, dass der Esel am Hof Resy heißt und sie nachher der Mama ein Fleischsackerl mitbringt.

 

Daheim beim Auspacken rätseln meine Frau und ich kurz über die verschiedenen Stücke. Was ist jetzt was? – Aber zur Not gibt’s ja Whats-App und die Mama. Oder beim nächsten Mal holt einfach meine Frau das Fleischpaket ab und fragt Christine persönlich was denn jetzt was ist, Zubereitungs- und Rezept-Tipp inklusive.  

 

Ich freue mich schon auf die ersten Gerichte mit dem Polzgut-Fleisch und denke daheim kurz an früher und an Oma, an Mama und wie das so war damals. 
Und da wird mir klar, dass wir ehestmöglich ein größeres Gefrierfach brauchen.

 

 

Gerhard Hofer

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